Seit 2012 beobachte ich die ökologische Entwicklung Chinas. Seitdem habe ich miterlebt, wie in Peking Flüsse sauberer wurden und der Müll von den Straßen verschwand. China hat in Sachen Umweltschutz nicht nur dürre Bäume mit künstlichen Blüten geschmückt (树上开花), also grüne Kosmetik betrieben, sondern tatsächlich einiges vorangebracht. Auch deswegen gilt das Land seit einigen Jahren als internationale Führungsmacht in diesem Bereich – insbesondere seit dem Formulieren von Chinas Klimazielen für 2030 und 2060.
Ansagen mit Leuchtturmcharakter
Im September 2020 versprach Xi Jinping, dass Chinas Treibhausgas (THG) Emissionen bis 2030 den Höchststand erreichen werden und das Land bis zum Jahr 2060 Kohlenstoffneutralität anstrebt. Der größte Emittent von THG setzt damit ein Zeichen, das nicht nur innerhalb Chinas richtungsweisend ist, sondern auch über die Grenzen hinaus Impulse gibt. Xi signalisiert dadurch der internationalen Gemeinschaft, dass es theoretisch möglich ist, bis 2060 Kohlenstoffneutralität zu erreichen. Seine Rede bei der UN-Vollversammlung diente also auch dazu, in anderen Ländern ähnliche Ambitionen zu wecken.
Die Frage ist allerdings: Wie will China dieses Ziel erreichen? Beobachter der Umweltsituation in China haben zwar in den vergangenen Jahren viele Verbesserungen registriert, das heißt aber nicht, dass China schon kurz vor der Dekarbonisierung steht. Viel muss passieren, bevor die Kohlenstoffneutralität Realität werden kann. Besonders das Wirtschaftssystem und die Energie als treibende Kraft hinter allem müssen umweltfreundlicher werden. Das kann durch verschiedene Strategien erreicht werden. Dabei tun sich besonders fünf grundlegende Schlüsselstrategien hervor.
1. Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen
Bildung, effiziente Energienutzung, Strukturwandel und Änderungen im Lebensstil unterstützen die Herausbildung eines allgemeinen Bewusstseins und fördern die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen. Diese wird für das Einhalten der Klimaziele dringend gebraucht. Wichtig ist, dass der Lebensstandard nicht darunter leidet, da sonst die Veränderung nicht von der breiten Masse angenommen werden kann.
2. Grüne Energieerzeugung
Die Stromerzeugung und der Energiesektor müssen grüner werden. Als treibende Kraft hinter jeder Entwicklung und vielen Prozessen hat der Sektor eine wegweisende Rolle. China bezieht derzeit noch etwa 70% aller Energie aus nicht erneuerbaren Quellen. Ein Großteil der THG Emissionen hat hier seinen Ursprung. Es gilt also: Erneuerbare Energien müssen den Großteil der Energie liefern. Stromspeicher, Nuklear- und Kohlekraft sollten nur noch unterstützen, wenn die Sonne mal nicht scheint und der Wind nicht weht.
3. Elektrifizieren des Endverbrauchssektors
Durch eine verstärkte Nutzung von Elektrizität im Bereich Transport (Stichwort: E-Mobilität), Wasser- und Raumheizungen, industrielle Wärmenutzung und vielem mehr werden die fossilen Brennstoffe durch erneuerbare Energien ersetzt.
4. Vermehrte Umstellung auf Wasserstoff und Biokraftstoffe
Die Umstellung auf kohlenstoffarme Brennstoffe wird maßgeblich zum Erreichen der Klimaziele 2060 beitragen. Wasserstoff und Biokraftstoffe in der Industrie und im Transportwesen werden die Emission stark einschränken. Insbesondere wenn eine Elektrifizierung nicht machbar oder wirtschaftlich sinnvoll ist, kann die Umstellung auf kohlenstoffarme Brennstoffe eine Strategie zum Verringern der Emissionen sein, z. B. in der Schifffahrt und der Luft- und Raumfahrt.
5. Verstärkter Abbau von den verbleibenden CO2 Emissionen
Als Letztes wird die Sequestrierung von Kohlenstoff eine sehr wichtige Strategie darstellen. Denn die Kohlenstoffneutralität 2060 ist ein Nett-Zero Ziel. Das heißt, dass es noch THG Emissionen geben wird, diese aber durch das „Abbauen“ von Emissionen ausgeglichen werden. In natürlichen Systemen wie z. B. in Wäldern, aber auch durch CO2-Entfernungstechnologien können Rest-Emissionen ausgeglichen werden.
Natürlich sind das nur grundlegende Strategien, die jedoch Erfolg versprechen und eine ungefähre Idee vermitteln, wie China seine Klimaziele 2060 erreichen kann.
Den Backstein für Jade fallen lassen
Manchmal muss man einen Backstein fallen lassen, um Jade zu bekommen (抛砖引玉), also sprichwörtlich eine Debatte anzuregen. Die oben genannten Strategien in die Tat umzusetzen wird einiges an Investitionen und Kompetenzen in Anspruch nehmen. Aber durch das Erreichen von Chinas Klimazielen in den Jahren 2030 und 2060 werden die Risiken des Klimawandels erheblich reduziert.
Felix Bohmann
felix.bohmann[at]posteo.de
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